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"Das BfE ist der staatliche Wächter"

In einem Interview für die aktuelle BfE-Broschüre zur Endlagersuche spricht BfE-Präsident Wolfram König über die Rolle seines Hauses im Standortauswahlverfahren und die Zukunft der Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle.

Seit über 50 Jahren wird in Deutschland die Atomenergie genutzt, ein Endlager für die hochradioaktiven Abfälle gibt es aber bis heute nicht.

In der Tat ist es so, dass mit dem Einstieg in die Atomenergie die Frage der sicheren Entsorgung nicht ausreichend berücksichtigt worden ist. Im Vordergrund stand die Förderung der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die Endlagerung der Abfälle und alles, was damit zusammenhängt, wurde – teilweise auch aus falscher Bewertung der Sicherheitsfragen – klein geredet …

… warum also soll nach so langer Zeit und gescheiterten Anläufen die Suche nach einem Endlager heute funktionieren?

Wir wissen aus den Erfahrungen der Vergangenheit, dass die Suche nur dann Chancen auf Erfolg hat, wenn die Entscheidungen am Ende von der Bevölkerung akzeptiert werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, dass hier nach fachlichen, sicherheitsorientierten Gesichtspunkten entschieden wurde und nicht aus politischer Opportunität. Dafür hat das Parlament 2017 ein Gesetz verabschiedet, das die Schritte für ein ergebnisoffenes und faires Verfahren definiert.

Wie soll das gelingen? Die Menschen haben nach den Erfahrungen der Vergangenheit bestimmte Bilder im Kopf, gerade beim Stichwort Gorleben.

Das ist richtig, das ist ein Teil unserer Geschichte und damit müssen wir umgehen. Ich sehe heute aber gleichzeitig eine große Chance, die Diskussion zu versachlichen. Denn mit dem gesetzlich beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2011 geht es beim Thema Entsorgung nicht mehr länger um pro oder kontra Atomenergie.

Welchen Part übernimmt das BfE bei der Suche nach einem Endlager?

Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) muss auf der einen Seite überwachen, dass die Suche ordnungsgemäß läuft. Das ist im übertragenen Sinn eine notarielle Aufgabe. Man kann auch sagen, das BfE ist der staatliche Wächter: Wir beglaubigen mit unseren Prüfungen die Ergebnisse der privatrechtlich organisierten Bundesgesellschaft für Endlagerung, die mit dem Suchprogramm beauftragt ist. Auf der anderen Seite ist es unser Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger umfassend mitgenommen werden. Wir müssen möglichst viele Interessen einbeziehen, ohne dass diese Stimmen im Verfahren die Entscheidung übernehmen. Das ist eine völlig neue Aufgabe, die meine Behörde auszugestalten hat. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch das von Bundestag und Bundesrat gemeinsam eingerichtete Nationale Begleitgremium.

Die Entscheidung für den Standort trifft am Ende die Politik. Welche Rolle spielt das BfE dabei?

Die Entscheidung trifft am Ende der Bundestag, also die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreter. Meine Behörde hat dabei sicherzustellen, dass solche Entscheidungen auf einer Grundlage gefällt werden, die die Interessenlagen vieler berücksichtigt und gleichzeitig auf fachlichen Kriterien fußt. Dazu wird das BfE die Regierung beraten und alle daran erinnern, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.

Bis 2031 soll laut Gesetz der Standort gefunden werden, ist das ein zu ehrgeiziges Ziel?

Es ist gut, sich gerade bei der Endlagersuche ehrgeizige Ziele zu setzen. Denn wir wissen nicht, welche Herausforderungen die Zukunft bringt. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Bereitschaft und Energie für ein solches, großes und teures Umweltprojekt auch künftig so ausgeprägt sind wie heute.

Wie sicher sind die hochgefährlichen Stoffe in den Zwischenlagern?

Das BfE hat für diese Zwischenlager die Genehmigungen zu erteilen. Bevor wir dies tun, schauen wir ganz genau hin, ob die Betreiber die durchaus strengen Sicherheitsanforderungen nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik einlösen. Dabei sind auch immer wieder neue Risikolagen zu berücksichtigen, wie zum Beispiel terroristische Angriffe. Wichtig ist, dass die Erkenntnisse möglichst zeitnah in die Bewertungen einfließen und dass die Betreiber die Zwischenlager bei Bedarf entsprechend nachrüsten. Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zwischenlager bis zum Auslaufen der Betriebsgenehmigung nach 40 Jahren nicht vollständig geräumt sein werden.

… das heißt was für Ihre Behörde?

Das heißt, wir müssen frühzeitig die Fragen identifizieren, die mit einer längeren Laufzeit der Zwischenlager verbunden sind beziehungsweise sein können. Ist die Sicherheit der Behälter und der Zwischenlager auch bei längeren Betriebszeiten auf gleich hohem Niveau wie aktuell gewährleistet? Was müssen wir technisch berücksichtigen? Ich denke, das wird ein ganz entscheidendes Thema in den kommenden Jahren an den verschiedenen Zwischenlager-Standorten sein. Es wird keinen Rabatt in Sicherheitsfragen geben, bis ein Endlager für hochradioaktive Stoffe in Betrieb geht. Gleichzeitig steht außer Zweifel, dass diese Zwischenlager nur eine Zwischenlösung sein können. Mauern, Wachmannschaften und Stacheldraht können auf lange Sicht nicht den Schutz gewähren, den ein Endlager in stabilen Gesteinsschichten tief unter der Erde bietet.

Stand: 06.12.2017