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Auf dem Weg zu einem sicheren Endlager

Aufgaben und Rollenverteilung bei der Standortsuche

Anfang 09.06.2017
Redner Dipl.-Ing. Wolfram König, Präsident des BfE

Vor 14 Jahren suchte die Loccumer Tagung nach Strategien zur Standortsuche für ein nukleares Endlager. Damals war der weitere Umgang mit dem Bergwerk Gorleben als potentieller Endlagerstandort offen, grundlegende Sicherheitsfragen zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle sollten während eines 10-jährigen Moratoriums für Erkundungsarbeiten geklärt werden. Die Umsetzung der Genehmigung für den Umbau des Schachtes Konrad zum Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle war bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ausgesetzt. Einige Jahre später wurde die Öffentlichkeit in besonderer Weise mit dem Zustand der Schachtanlage Asse II konfrontiert. Das Scheitern der Endlagerung von atomaren Abfällen in der Asse wird seitdem in der öffentlichen Diskussion immer wieder sinnbildlich dafür angeführt, dass eine sichere Endlagerung grundsätzlich unmöglich ist.

An diesem Ort in Loccum stellte ich meine Thesen zur Lösung der Endlagerfrage vor. Sie beinhalteten im Zentrum eine deutschlandweite Endlagersuche auf Basis verbindlich festgelegter Kriterien. Ich sprach mich weiterhin für einen öffentlich-rechtlichen Fonds zur Absicherung der Finanzierung und für die Begrenzung der Laufzeiten bei den Kernkraftwerken aus, um die Abfallmengen für die Endlagerung zu begrenzen: Ist der Rahmen klar, so meine These damals, ließe sich über die eigentliche Frage sprechen: Wie und wo kann der Atommüll sicher in tiefen geologischen Schichten endgelagert werden?

Ich freue mich, dass wir - zwar später als von mir erhofft – aber nunmehr einen Rahmen und eine Strategie für den Weg zu einem sicheren Endlager in Deutschland haben, die an die Thesen von damals anknüpfen.

1. Was haben wir erreicht?

Was ist mit breiten mehrheitlichen Beschlüssen des Bundestags und des Bundesrats in den letzten Jahren erreicht worden: Der Ausstieg aus der Kernenergie inklusive Gesetze zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung und zur deutschlandweiten Endlagersuche, die den Weg zum Umgang mit den atomaren Hinterlassenschaften aufzeigen. Auch der weitere Umgang mit dem früheren Erkundungsbergwerk Gorleben ist geklärt. Gorleben wird im Standortauswahlverfahren wie jeder andere mögliche Standort in Deutschland behandelt und betrachtet. Schließlich hat die Politik einen klaren Rahmen für die Zuständigkeiten bei der Endlagersuche geschaffen. Bis dato fehlte auf dem Weg zu einem sicheren Endlager diese nachvollziehbare Regelung der Aufgabenwahrnehmung. Ich hatte mit der Arbeitsaufnahme der Endlagerkommission entsprechende Empfehlungen aus der Sicht des Betreibers der Endlagerprojekte einbringen können, die übernommen worden sind.

Zuständigkeiten sind neu geregelt

Aufgabenteilung bei der Standortauswahl zwischen BASE, BGE und BMUB Aktuelle Zuständigkeiten bei der Zwischen- und EndlagerungAktuelle Zuständigkeiten bei der Zwischen- und Endlagerung

Häufig wird bei der Darstellung der neuen Zuständigkeitsstrukturen fälschlicherweise von einer Neuordnung der Behördenlandschaft gesprochen. Zwar wurden auf der einen Seite die behördlichen Zuständigkeiten neu geordnet. Das Entscheidende ist aber, dass die Betreiberaufgaben nicht mehr durch eine Behörde wahrgenommen werden, sondern durch eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft.

  • Wir haben das neue Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) als Aufsichtsbehörde. Das BfE leitet das Standortauswahlverfahren, überwacht seinen Vollzug und prüft die vorzulegenden konkreten Planungen der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) zur Eingrenzung der untersuchungswürdigen Gebiete in Deutschland. Das Bundesamt beteiligt die Öffentlichkeit und legt dem Bundestag über die Bundesregierung Entscheidungsvorschläge vor. Weiterhin hat das BfE die bergrechtliche Zuständigkeit des Bundes bei der Endlagerung übernommen, bisher war dies bei den Bundesländern organisiert.

  • Mit der BGE mbH wurde eine Gesellschaft gegründet, in der die gesamten Aufgaben des Betriebs von Endlagern und der konkreten Erkundungsarbeiten im Rahmen der Standortauswahl zusammengeführt werden. Die Anteile der BGE mbH hält ausschließlich der Bund. Dadurch, dass nun die Energieversorgungsunternehmen (EVU) aus der Finanzierungsverantwortung im laufenden Geschäft ausscheiden, deren Betriebsgesellschaft DBE mbH vom Bund übernommen und mit der BGE mbH verschmolzen wird, können die Aufgaben des Endlagerbetriebs von der BGE mbH nun umfassend wahrgenommen werden. Gleichzeitig kann die BGE mbH als Unternehmen in Bundesbesitz unabhängig von den Interessen der EVU als Abfallverursacher agieren.
  • Das Nationale Begleitgremium (NBG) begleitet die Standortauswahl und insbesondere das Beteiligungsverfahren vermittelnd und unabhängig mit dem Ziel, das Vertrauen in die Durchführung des Verfahrens zu stärken. Es setzt sich aus einzelnen Bürgerinnen und Bürgern und anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammen.

  • Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Bau (BMUB) trägt die politische Verantwortung und überprüft, dass das Standortauswahlverfahren nach den Anforderungen und Kriterien der Gesetze durchgeführt wird.

Mit dieser klaren Aufgabenwahrnehmung von Regulierung und Aufsicht, Betrieb und politischer Verantwortung wurden effektive Zuständigkeitsstrukturen für die komplexen Prozesse bei der Endlagerung geschaffen. Auch für die nächsten Schritte bei der Endlagersuche gilt es Verantwortung zu übernehmen und auf neue ungelöste Fragen Antworten zu finden.

2. Wie geht es weiter?

Der gesetzliche Rahmen und die Zuständigkeiten auf dem Weg zu einem sicheren Endlager sind geklärt – die großen Fragen der Akzeptanz, der Sicherheit und der klaren Zuständigkeiten stellen sich aber auch heute in anderen Facetten immer wieder neu. Hier sehe ich zahlreiche drängende Fragen, die im Laufe der Standortauswahl zu beantworten sind.

Wie bleibt die ungelöste Entsorgung gesellschaftliches Thema?

Ich nehme wahr, dass sich mit dem geplanten Ausstieg aus der Kernenergieerzeugung in Deutschland im Jahr 2022 schon heute der Eindruck in der Öffentlichkeit verstärkt, alle damit einhergehenden Herausforderungen und damit das Problem des Atommülls seien bereits gelöste Probleme von gestern.

Interesse wecken und Bewusstsein schaffen

Wie schaffen wir es, hier aufzuklären und über die nächsten Jahrzehnte im Rahmen der verschiedenen Beteiligungsformen das Interesse in der Öffentlichkeit immer wieder neu zu wecken?

Das BfE geht in seiner aktuellen Aufbauphase die Aufgabe zunächst mit dem Ziel an, das komplizierte Verfahren verständlich darzustellen. Diese aufbereiteten Inhalte versuchen wir durch offene Formate wie der Präsentation der mobilen Endlagerausstellung auf dem Kirchentag in die breite Gesellschaft zu tragen. Mittelfristig gilt es, insbesondere auch Politik und Medien immer wieder auf die ungelösten Fragen der Endlagerung als wichtiges gesellschaftliches Thema aufmerksam zu machen.

Wie kann bei der Endlagersuche die Akzeptanz der standortunabhängigen Arbeitsergebnisse als Grundlage für die standortbezogenen gesichert werden?

Wie kann es uns gelingen, in der Öffentlichkeit von Beginn an Interesse und Akzeptanz für den zunächst sehr theoretischen Prozess der Standortsuche zu finden, bei dem unabhängig von konkreten Standorten die Grundlagen der Standortsuche gelegt werden? Es besteht die Herausforderung, diese sehr allgemeinen ersten Schritte der Standortsuche mit der Phase zu verzahnen, die auf alle Akteure im weiteren Verfahren sehr wahrscheinlich zukommen wird: Die Phase der Fragen und der Skepsis von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern an konkreten potentiellen Endlagerstandorten. Das BfE sieht sich mit der Aufgabe konfrontiert, die einzelnen Phasen der Standortsuche sinnvoll zu strukturieren und zu verknüpfen, um die Glaubwürdigkeit des Verfahrens zu gewährleisten. „Strukturieren“ bedeutet in diesem Zusammenhang, der Beteiligung einen klaren Rahmen zu setzen und der Öffentlichkeit sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen der Mitwirkungsmöglichkeiten in den einzelnen Phasen aufzuzeigen. „Verknüpfen“ heißt nicht nur, die einzelnen Beteiligungsschritte bei der Endlagersuche sinnvoll aufeinander aufzubauen, sondern auch, eine Brücke zu Beteiligungsprozessen beim Rückbau der Kernkraftwerke und bei der Zwischenlagerung zu bauen.

Forschungsaufgaben wahrnehmen

Wie wird die Weiterentwicklung von Sicherheitsstandards trotz des Ausstiegs aus der Kernenergie gewährleistet?

Das BfE setzt sich zum Ziel, den Forschungsbedarf auf nationaler Ebene zu bündeln und auf internationaler Ebene den Diskurs zu wissenschaftlich-technischen und sozialwissenschaftlichen Fragen zu pflegen und auszubauen. Wir brauchen diese starke internationale Vernetzung, um mittelfristig wegfallendes Wissen in den einzelnen nationalen Grenzen zu ersetzen.

Wie wird Nachwuchs und unabhängiges Wissen für Betreiber, Genehmigungs-/Aufsichtsbehörden sowie Beteiligungsinstitutionen sichergestellt?

Der Bedarf an Nachwuchs bei den verantwortlichen Institutionen ist aktuell und auch in der Zukunft groß. Gleichzeitig stellt sich die aktuell von verschiedener Seite formulierte Herausforderung, einen wissenschaftlichen und zugleich unabhängigen Sachverstand aufzubauen, um Beratungsleistungen für die verschiedenen Institutionen zu erbringen. Schon heute bilden Gutachterorganisationen verschiedene Tochterunternehmen, wobei das eine Unternehmen die Betreiber berät und das andere für die Behördenseite arbeitet. Die formale Trennung ist gegeben, es besteht aber das Risiko, dass nachvollziehbare Strukturen, Unabhängigkeit und letztendlich Vertrauen verloren gehen. Ich plädiere zur Nachwuchsförderung für eine gezielte Fortführung von Forschungs- und Förderprogrammen in diesem Bereich. Gleichzeitig gilt es auch bei Gutachterorganisationen verstärkt internationalen Sachverstand zu Rate zu ziehen, um die Unabhängigkeit der Beratungsleistungen in Deutschland zu gewährleisten.

Verantwortung in staatlicher Hand

Welche Herausforderungen stellen sich durch die Konzentration der Entsorgung in staatlicher Hand neu?

Mit dem im Juni 2017 in Kraft getretenen „Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung“ wurde geregelt, dass die Durchführung und Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung zukünftig umfassend in die Verantwortung des Bundes fällt und nicht mehr, wie für die Zwischenlagerung und die laufende Finanzierung der Endlagerung bisher verankert, in der Hand der EVU liegt. Die finanziellen Mittel hierfür wurden dem Bund von den EVU in einem öffentlich-rechtlichen Fonds zur Verfügung gestellt. In Zukunft fallen bei der Endlagerung somit die unmittelbaren bzw. mittelbaren Interessensbekundungen der EVU als Abfallverursacher weg. Die Unternehmen hatten früher etwa ein Interesse an Fortschritten bei der Erkundung des Bergwerks Gorleben als potentiellem Endlagerstandort: Der Betrieb der Kernkraftwerke war gekoppelt an den Entsorgungsnachweis und den Fortschritt bei der Endlagerfrage. Dieses Interesse fällt weg und damit auch ein Instrument, welches grundsätzlich auf Fortschritte bei der Entsorgung drängt. Zukünftig müssen die Gesellschaft und das Parlament selbst auf den Fortgang bei der Endlagerung achten.

Prozesse transparent machen

Gleichzeitig gibt es die veränderte Situation, dass durch das genannte Gesetz zur Neuordnung der Verantwortlichkeiten alle Akteure bei der Endlagerung in Zukunft staatlich und beim Bund angesiedelt sind. Es stellt sich die Frage, wie jenseits der bestehenden Kontrolle durch die Gewaltenteilung dem Eindruck von Anfang an entgegengetreten werden kann, dass Informationen und Interessenslagen, die für die Sicherheit der Bevölkerung von Bedeutung sind, von staatlicher Seite nicht offen gelegt werden. Eine gute Erfahrung ist aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang die Atomgesetzänderung zur Schachtanlage Asse II aus dem Jahr 2013. Das Atomgesetz verpflichtet seitdem den Betreiber, alle wichtigen Informationen und Dokumente offenzulegen, einschließlich der Erlasse und Weisungen aus dem Ministerium. Die im Standortauswahlgesetz vorgesehene Informationsplattform stellt für das vor uns liegende Verfahren ein entsprechend zentrales Instrument zur Erreichung von Vertrauen dar. Das BfE hat eine erste Version der Plattform bereits auf seiner Homepage realisiert und erste Dokumente öffentlich zugänglich gemacht.

Sichere Zwischenlager temporär fortführen

Wie stellen wir sicher, dass die Zwischenlagerung nicht zur Scheinlösung als Ersatz für eine notwendige Endlagerung wird?

Wir haben nach meiner Ansicht die Verpflichtung, unter den aktuellen stabilen politischen und ökonomischen Randbedingungen eine Lösung für die vorhandenen radioaktiven Abfälle zu finden, die die nächsten Generationen wirklich entlastet. Die Zwischenlager sind nicht geeignet, einen Ersatz für ein Endlager darzustellen. Beton, Stahl und Sicherheitskräfte der Zwischenlager können angesichts der sich oft schnell verändernden politischen Verhältnisse auf Dauer nur den notwendigen Zeitraum bis zu einem Endlager überbrücken. Wir sind gut beraten, die Verfahrensschritte des Standortauswahlgesetzes und die vorhandene Geologie in Deutschland zu nutzen und das bestmögliche Endlager in Deutschland für hochradioaktive Abfälle betriebsbereit aufzubauen. Deshalb ist es bedeutend, nur aus unabweisbaren Gründen einer Verlängerung von Zwischenlagergenehmigungen zuzustimmen, wie es auch das Atomgesetz festschreibt. Durch sichere Zwischenlagerung erkaufen wir aber Zeit für ein geordnetes Verfahren auf dem Weg zu einem Endlager. Der Zeitraum, den uns die Zwischenlagerung hierfür gibt, wird durch gesellschaftliche und sicherheitstechnische Fragestellungen beeinflusst. Wichtige Fragen müssen in den nächsten Jahren durch Forschungstätigkeiten geklärt werden. Einen Teil dieser Forschung werden wir im BfE mit unserer eigenen Forschungsabteilung voranbringen können.

3. Fazit

Die nun festgelegte Strategie und der Rahmen für die Endlagersuche sind eine wichtige Grundlage zur Zielerreichung und Akzeptanz. Die jüngst verabschiedeten Gesetze sind wichtige Antworten auf die Fragen, die wir uns in Loccum vor 14 Jahren gestellt haben. Jetzt gilt es zu beweisen, dass die Endlagersuche auch praktisch umsetzbar ist und der gewählte Rahmen Fortschritte im Verfahren mit dem Ziel der Endlagerung gewährleistet.

  • Die Frage der Zuständigkeiten stellt sich heute neu mit der Frage, wie mit der Konzentration der Zuständigkeiten in staatlicher Hand umgegangen werden kann und wie die Unabhängigkeit einzelner Akteure dauerhaft sichergestellt wird.
  • Die Frage der Akzeptanz stellt sich aktuell, wenn noch keine konkreten Endlagerstandorte festgelegt sind, unter dem Blickwinkel, wie gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Interesse für die eher abstrakten ersten Schritte der Endlagersuche geweckt und aufrechterhalten werden kann.
  • Die Frage der Sicherheit stellt sich verstärkt unter den Aspekten der Nachwuchsförderung, des Kompetenzerhalts und der Unabhängigkeit der einzelnen Akteure mit dem Ziel, das Sicherheitsniveau und die Sicherheitskultur in Deutschland auch nach dem Atomausstieg zu gewährleisten.
  • Die Frage der Zwischenlagerung wird geprägt sein von der Klärung relevanter sicherheitstechnischer und gesellschaftlicher Fragen zur Verlängerung der bestehenden Genehmigungen für Zwischenlager.

Auf all diese Fragen gilt es nun erneut, Antworten zu finden, die Gesellschaft und Politik überzeugen. Gelingt uns dies, vermitteln wir mit den Antworten immer wieder auch die wichtigste Botschaft: Eine sichere Endlagerung der radioaktiven Abfälle in Deutschland ist notwendig, wird konsequent verfolgt und ist letztendlich auch unter strengen Maßstäben möglich.

Stand: 09.06.2017